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Wilderer in Oberösterreich

Wilderer in Oberösterreich


Wildern ist heute schlicht Diebstahl. In der feudalen Gesellschaft hatte es aber eine ganz andere Bedeutung. Jagen war ein Privileg, das dem Adel zustand und das von den Untertanen als ungerecht und aufgrund der Wildschäden als Gefährdung ihrer Existenz empfunden wurde. Wilderer wurden als „soziale Rebellen“ und Volkshelden verstanden, wie sie für bäuerliche Kulturen bis heute typisch sind.

Die feudale Rechtsordnung kannte keine klare Trennung des Eigentums: Grund und Boden standen den Bauern und Grundherren in einer Art gemeinsamen Eigentums zu; die Bauern hatten ihre Höfe als in den meisten Fällen vererbbares Eigentum, die Grundherren hatten ein Obereigentum und bezogen von den Untertanen Abgaben. Besonders das adelige Jagdprivileg mit einer übersteigerten Wildhege und entsprechenden Flurschäden erregte den Unmut der Bauern. Immer wieder war es Anlass für Bauernaufstände. 1704 griffen die Bauern der Ennser Umgebung zur Selbsthilfe und begannen das Wild abzuschießen.
1716 brach fast im ganzen Land ob der Enns ein Jagdaufstand aus. Die Bauern schossen über 750 Stück Hirsche ab. Schließlich wurden die Bauern entwaffnet und die Rädelsführer verhaftet. Den Schlusspunkt bildete am 24. Mai 1719 ein großes Strafgericht auf dem Linzer Hauptplatz, bei der einige Bauernführer zum Tode verurteilt und schließlich nach ausgestandener Todesangst zu schwerer Zwangsarbeit an der türkischen Grenze und auf den Galeeren begnadigt wurden.
1720 wurden noch einmal 1613 der Wilddieberei beschuldigte Bauern durch den Landeshauptmann Christoph Wilhelm von Thürheim zu Gefängnisstrafen, Zwangsarbeit, Geldstrafen und Ausstellung auf einer Schandbühne mit angehängten Hirschgeweihen verurteilt.

„Helden der kleinen Leute“
Die Wildschützen waren so etwas wie die „Helden der kleinen Leute“, die sich den aristokratischen Jagdherren gegenüber als gleichgestellt ansahen. Die Kultur der Wilderer hat eine lange Tradition, deren Kniffe, Regeln und Überlebensstrategien zwar der offiziellen Rechtsordnung widersprachen, die aber die Sympathien der besonders in den Gebirgsgegenden in Armut lebenden Bevölkerung genießen durften und bis in jüngste Zeit mystifiziert und romantisiert wurden. So standen sich zwei Normenordnungen gegenüber: die formelle der staatlichen Obrigkeit und die informelle der „kleinen Leute“. Der Wilderer wurde als sozialer Rebell gesehen, der sich das Recht holt, welches die „hohen Herren“ dem „kleinen Mann“ genommen hatten. Dafür nahm man auch in Kauf, eingesperrt und in Eisen gelegt zu werden, wie ein alter Vierzeiler aus Windischgarsten erzählt: „An Gams hab i g'schossen / in den Stoderer Spitzen / und jetzt muss i z'Garsten / im Eisen sitzen.“

Magische Kräfte
In Notzeiten war das Wildern sicherlich auch ein willkommenes Mittel, die kargen Mahlzeiten aufzubessern. Es war aber mehr, es war auch das Ventil, den Ärger über die Bedrängnis durch die Herren loszuwerden. So konnte der Wilderer, verrußt, verfolgt und doch heimlich bewundert und gefeiert, zum Helden der kleinen Leute aufsteigen. Den Wildschützen wurden magische Kräfte und besondere erotische Wirkung zugeschrieben. Auf den Almen fanden sie nicht nur vor den Jägern Unterschlupf, sondern auch bei den Sennerinnen innige Zuneigung: „Kloani Kugerl giaß'n, / Kloani Gamserl schiaß'n, / Kloani Dirndln liab'n, / Ma muaß all's probier'n ...“ Auf die Unterstützung seines Dirndls, das ihn sogar aus dem Gefängnis auslöste, konnte sich der Schütz verlassen: „Z' Garsten in Eisen / z' Spital in Arrest / und jetzt hat mi mei schwarzaugats / Dirndl ausg'löst!“

Die Geschichten der Wildschützen wurden immer wieder erzählt, ihre Jagderfolge wie Siege gefeiert: etwa die abenteuerlichen Wege, die Windischgarstener und Weyerer Wilderer durch die unzugänglichsten Wände nahmen, um den Jägern und Forstbeamten zu entwischen. Ihre Tricks muten an wie Jägerlatein, die auf die Schuhe verkehrt genagelten Absätze, mit denen sie die Suchmannschaften in die falsche Richtung lenken wollten, ebenso wie die gefährlichen Routen, auf denen ihnen kein Forstbeamter mehr folgen konnte. Ein eigener Ehrenkodex schied „ehrenhafte“ Wildschützen von gewöhnlichen „Raub- und Diebsschützen“, auch wenn die Auseinandersetzungen oft nicht mehr waren als hinterlistige Rachefeldzüge und versteckte Grausamkeiten.

In schweren Zeiten - in den Napoleonischen Kriegen, den Hungerjahren des Vormärz, in der Revolution von 1848, in und nach dem Ersten Weltkrieg und wieder in der Weltwirtschaftskrise - kam es zu einer Häufung von Wilderei. 1848 war das Jagdrecht eine der Forderungen der Bauern. Adelige Wildgehege wurden da und dort zerstört und das Wild massenweise abgeschossen. „Die Grundbesitzer würden jetzt“, klagte 1849 die Lambergische Forstverwaltung, „nicht ruhen, so lange sie ein Stück Wild auf ihren Gründen erwischen können, - und wenn es auch einmal gar nicht mehr zu brauchen sein wird, so werden sie es dennoch vernichten und dann lieber in einen Graben hinein werfen und verderben lassen, als noch länger die Last von demselben auf ihren Gründen ertragen.“

Strenge Strafen für Wilderer
Die Grundentlastung von 1848/49 brachte 1854 auch ein neues Jagdrecht. Die Wilderer mussten wieder mit strengen Strafen rechnen. 1865 wurde zum Beispiel am Kreisgericht Steyr ein Kleinhäusler „wegen des Verbrechens des versuchten Wilddiebstahles, der öffentlichen Gewalttätigkeit und der schweren Körperbeschädigung [...] begangen durch versuchte Entwendung einer Gemse aus dem Fürst Lamberg'schen Jagdreviere, gewaltsame Handanlegung an den arrestierenden beeideten Forstadjunkten Johann Mittendorfer und schwere körperliche Beschädigung desselben [...] zu acht Monaten schweren Kerkers und einer riesigen Geldstrafe von mehr als 150 Gulden verurteilt, die wohl der Wert seines ganzen Hauses überstieg.
Auch im Salzkammergut kam es immer wieder zu gefährlichen Zwischenfällen und Aufsehen erregenden Prozessen. Jahr für Jahr meldeten die heimischen Blätter, wie z. B. das Ischler Wochenblatt, Wildererfälle. „Kein Verbrechen als das der Wilddieberei scheint des Menschen so schnell Herr zu werden, denn selbst Bemittelte scheuen vor demselben und dessen schwerer Bestrafung nicht zurück“, leitete die Zeitung 1876 einen Bericht über eine tödliche Auseinandersetzung ein.

„Die Wildererschlacht von Molln“
Im Ersten Weltkrieg und vor allem zu Kriegsende nahm das Wildern stark zu: Der Hunger unter der Bevölkerung war groß, Wildern eine willkommene Gelegenheit zur Nahrungsaufbesserung; die heimkehrenden Soldaten hatten teils noch Waffen mit und waren in deren Gebrauch gut geschult. In den Wäldern trieben sich ganze Wildererbanden herum. Am dramatischsten wurden die Auseinandersetzungen in Molln.

Der Pfarrer von Molln berichtete in der Pfarrchronik: „Am 17. Oktober 1918 wurde der Förster Johann Daxner von einem Wilderer erschossen. Das Entsetzen über diese Tat, die einem Vater von 10 Kindern das Leben kostete, war allgemein. Am 16. Jänner 1919 wurde im Gegenzug ein Wilderer mit Namen Vinzenz Bloderer von dem Lamberg'schen Förster Friedrich Lugner mit einem Schuss von hinten ermordet.“
Am Sonntag darauf wurde Bloderer beerdigt und da er, wie der Pfarrer berichtet, ein Anhänger der Sozialdemokraten war, nahmen dieselben vollzählig und ostentativ am Leichenbegängnisse teil, obwohl sie sonst nie in eine Kirche kamen. Am Friedhofe kam es dann zu hässlichen Szenen, wie es dem Pfarrer zufolge kaum einmal ein Friedhof gesehen und gehört habe: Fluchen, Verwünschungen gegen das Forstpersonal und ein weithin hörbares dreimaliges Pfui am offenen Grabe.
Dies spiegelte sich auch bei den am 16. Februar stattfindenden ersten Wahlen in die National-Versammlung wider, bei denen die Sozialdemokraten in Molln einen Erdrutschsieg verbuchten, der überwiegend auf dieses Ereignis zurückgeführt werden muss, da er sich später nie mehr wiederholte.
Der Adjunkt Lugner wurde nach diesem Geschehen nach Großraming versetzt. Am 21. Juli 1932 brach er als Revierförster zu einem Pirschgang auf, von dem er nicht zurückkehrte. Am 23. Juli wurde er mit einem Schuss im Genick tot aufgefunden. Ob er lokalen Wilderern zum Opfer fiel oder ob ein Zusammenhang mit den Vorgängen in Molln bestand, konnte nicht ermittelt werden.

Die Stimmung im ausgezehrten Nachkriegs-Molln war nach den Todesfällen aufs Äußerste gespannt. Fünf Mollner, die der gewerbsmäßigen Wilderei verdächtig waren, wurden im März 1919 verhaftet und warteten im Grünburger Bezirksgericht auf ihren Abtransport nach Steyr, wo ihnen der Prozess gemacht werden sollte. Am Grünburger Bahnhof wurden sie am 14. März 1919 gewaltsam befreit und im Triumphzug nach Molln heimgeholt, wo im Gasthof Dolleschal eine ‚Siegesfeier’ stattfand. Die Obrigkeit witterte in den vom Chaos geschüttelten ersten Tagen der Republik ‚Aufruhr’ und setzte von Steyr aus eine Kompanie Junggendarmen in Marsch. Das Wirtshaus wurde umstellt und auf die sich mit Worten und Mostgläsern zur Wehr setzenden Wilderer und Sympathisanten auf Befehl des Gendarmeriemajors das Feuer eröffnet. Schließlich gab es neben mehreren Verletzten drei tote Mollner, ein viertes Todesopfer forderte eine ‚Razzia’ in einem Ramsauer Bauernhof.


Die Mollner Vorfälle wurden zu einer der ersten großen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen im neuen republikanischen Oberösterreich. Parteien und Presse machten, je nach politischer Couleur, die Täter oder die Opfer zu Helden: Rebellen der Berge oder Aufrührer und Verbrecher gegen Ordnung und Staat. Im Oberösterreichischen Landtag, im Wiener Parlament, aber auch während des Begräbnisses in Molln, an dem Tausende demonstrativ teilnahmen, kam es zu erbitterten politischen Schuldzuweisungen.

Heute gehört das romantisch-verklärte Bild des Wilderers längst der Vergangenheit an. Für das Wildern fehlt der damals allgemeine Konsens, der die Tat oft deckte. Die Art und Weise fasziniert aber trotzdem, denn „Wilderer-Bälle“ sind meist gut besucht.

Wildererlieder

Ein Wildererlied aus der 1848er-Revolution wurde in Molln aufgezeichnet: Da Koller zu Molln

Ein Wildererlied aus der 1848er-Revolution wurde in Molln aufgezeichnet:

Da Koller zu Molln

1. Strophe:
Das sieben- und achtavierzga Jahr,
Das mörk i ma so lang i löb,
Wir ma ins Gamsgbirg san gstiegn,
In der Feichtn-Au in Urla drin.
Da wars a lustigs Löbn,
Weils hat brav Wildprat gebn,
Denn bei dera Zeit, da wurd ka Jaga gfragt,
Weil die Freiheit hat das Ding angmacht

[…]

7. Strophe:
Das wird nie vergössn, das woaß i ganz gwiß,
So lang uns Schützen Gott das Leben schenkt,
Wann glei s Schießn wiederum verboten wird,
So wird do immar auf die Alma denkt.
Wie wir beinand san gsessn und habns Wildprat gessen,
Bei da Sendrin in da Hüttn drin.
Leb wohl du wunderschönes Gamsgebirg,
Wann s'Schießen wiederum verboten wird.

Ein Wildererlied aus dem Salzkammergut

An einem Sonntagmorgen recht zeitig in der Fruah, nimmt der Wildschütz sein Stutzerl,
und geht dem Gamsgebirg zua.
Er woass ja die Weg so schön,
wo die schen' Gamserl stehn,
drin im Gebirg.

Und a Gamsal hat er g'schossen, hoch droben auf der Hoad,
jetzt will er's auswoaden, ziagt's Messer aus der Schoad.
Der Jaga hat eahm lang zuag'schaut,
Hat si net zuwi traut,
bis das er schlaft.

Und der Wildschtz hat g'schlafen, dann hat er si traut,
er nimmt dem Wildschütz sei Stutzerl, hat sakrisch zuag'haut.
Der Wildschütz springt auf vom Schlaf,
stürzt über'n Fels hinab,
in a G'sträuch.

Und den Jaga druckt's G'wissen und dem Wildschütz sein Bluat,
und jetzt mecht er gern wissen, was der Wildschütz drunt tuat:
„Aber Jaga, liabsta Jaga mein,
bind ma meine Wund'n ein
und still mir's Bluat“.

Und der Jaga bind eahm d'Wund'n ein und stillt eahms Bluat:
„Aber jetzt muast mit mir gehn, ins Salzkammerguat!“
„Bevor i mit an Jaga geh',
lass i mei Leib und Seel
fürs Salzkammerguat! “

 

Literatur:

Girtler, Roland: Wilderer. Soziale Rebellen im Konflikt mit den Jagdherren. Linz 1988.

Janisch, Peter: Gehst mir aufs Leben, Schütz? Wildererkämpfe und Jägermorde in den österreichischen Alpen. Erw. neu bearb. Aufl. Lauffen 1981.

Shieh, Jhy-Wey: Kommt der Jäger dem Wilderer ins Gehege .... Zum Wilderer-Motiv in der deutschen Literatur. Bielefeld 1995.

Tuschner, Wolfram: Außergewöhnliche Wildererlieder aus der Eisenwurzen. Oberösterreichische Heimatblätter Jg. 52 (1998) H. 1/2, S. 122-133 - Siehe Periodika - Oberösterreichische Heimatblätter


Linktipps:

Freiwild Molln – ein Theaterprojekt
Die ‚Wilderertragödie von Molln’ ist der Inhalt des Mollner Projektes „frei-wild“. Franz Horcickas dramatisches Spiel wurde Ende Juni 2009 auf der Freiluftbühne beim „Hoisn Haus“ in Molln aufgeführt werden. Die Handlung ist eine Dramatisierung der ‚Mollner Wilderertragödie’ von einst zu einem menschlichen wie zeitlosen Bilderbogen. Der Kirchdorfer Autor und Regisseur Franz Horcicka zeigte in seinem Schauspiel in elf Bildern drei faszinierende Blickwinkel auf historisches, gegenwärtiges und künftiges Zusammenleben in unserer unmittelbaren Heimat.

Wilderermuseum St. Pankraz
Das Wilderermuseum St. Pankraz ist im ehemaligen Heustadel des benachbarten Gasthauses Steyrbrücke untergebracht. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ. Prof. Dr. Roland Girtler, Soziologe an der Universität Wien, wurde eine umfassende Schau zur Wilderei zusammengestellt - auf einer Ausstellungsfläche von 500 m² sehen Sie über 250 Exponate, darunter viele originale Wildererwaffen! Die geschichtlichen und sozialen Hintergründe der Wilderei werden ebenso dokumentiert wie die Bestrafung der Wildschützen, Wildererschicksale oder die legendäre Wildererschlacht von Molln. In der Multimedia-Präsentation „Interviews mit Zeitzeugen“ sind Gespräche mit ehemaligen Wilderern und einer Sennerin aufgezeichnet.


Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 16. Mai 2009

   

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