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Oberösterreich 1918/2008

Oberösterreich 1918/2008


Österreich feierte 2008 das 90-jährige Jubiläum seines Bestehens als Staat und Oberösterreich das 90-jährige Jubiläum seines Namens „Oberösterreich“ und seiner Stellung als Bundesland. Beides ist reichlich kompliziert. Die Republik Österreich ist sich keineswegs einig, welches Datum ihr wirklicher Geburtstag ist. Auch für das Bundesland Oberösterreich gibt es kein eindeutiges Datum, an dem der Name „Oberösterreich“ amtlich eingeführt worden wäre.

Am 21. Oktober 1918, als der Zerfall der Habsburgermonarchie schon an allen Ecken – in Südslawien, in Tschechien und in Ungarn –Realität wurde, konstituierten sich in Wien die deutschsprachigen Reichsratsabgeordneten des österreichischen Teils der Habsburgermonarchie im Sitzungssaal des Niederösterreichischen Landhauses als provisorische Nationalversammlung des selbständigen deutschösterreichischen Staates. Der eigentliche Akt der Staatsgründung erfolgte am 30. Oktober 1918: Ein Staatsrat wurde als oberstes Organ eingerichtet, das provisorische Grundgesetz des neuen Staates beschlossen und ein beanspruchtes Staatsgebiet definiert. Am 31. Oktober wurden die Staatsfarben rot-weiß-rot und ein vorläufiges Staatswappen festgelegt. Aber auch die Habsburgermonarchie existierte noch. Kurzfristig bestanden in Wien zwei Staaten und zwei Regierungen nebeneinander: die Regierung der alten, offiziell noch nicht aufgelösten Habsburgermonarchie mit Ministerpräsident Heinrich Lammasch an der Spitze und die Regierung des neuen Staates Deutsch-Österreich unter Staatskanzler Karl Renner.

Das Aus für die Monarchie
Die Ausrufung der Republik am 12. November 1918 auf der Rampe des Parlaments war also nicht die Gründung, sondern die offizielle Verkündung der Regierungsform des neuen Staates, nachdem Kaiser Karl, als er am 11. November auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften verzichtet und keinen Nachfolger benannt hatte, die Habsburgermonarchie implizit aufgelöst hatte.

Die Erste Republik ist mit sich selbst und ihrer Staatsgründung nie ins Reine gekommen. In der öffentlichen Erinnerung und in den meisten historischen Darstellungen ist der 30. Oktober als Tag der Gründung des Staates völlig vergessen und steht der 12. November als Festtag im Vordergrund. Dieser wurde in der Ersten Republik zum Staatsfeiertag erklärt, aber nie akzeptiert. Die Christlichsozialen kritisierten den revolutionären und antihabsburgischen Beigeschmack dieses Tages, die Sozialdemokraten propagierten ihn gerade deswegen und versuchten die Republikgründung als einseitiges Werk der (Wiener) Sozialdemokratie dazustellen und den Beitrag anderer Parteien und der Bundesländer herunterzuspielen. Das wird am Republikdenkmal, das 1928 im Wiener Rathauspark gegenüber dem Parlament errichtet worden war, besonders deutlich – es zeigt drei Sozialdemokratische Wiener Politiker, Viktor Adler, Jakob Reumann und Ferdinand Hanusch, die an den Ereignissen des 12. November nicht oder nicht mehr beteiligt waren: Viktor Adler war am 12. November schon tot, die beiden anderen spielten am 12. November höchstens eine untergeordnete Rolle. Die Bedeutung der beiden Oberösterreicher, des Obmanns der christlichsozialen Partei Prälat Johann Nepomuk Hauser als erstem und des Großdeutschen Dr. Franz Dinghofer als zweitem Präsidenten der Nationalversammlung, wurde hingegen völlig übergangen. Einer gemeinsamen Erinnerungskultur wurde solcherart weitgehend der Boden entzogen.

Ein neuer Name
Während man auf gesamtstaatlicher Ebene bemüht war, den revolutionären Charakter der Staatsgründung zu unterstreichen und die Kontinuität mit dem Staat der Habsburgermonarchie möglichst herunterzuspielen oder zu verneinen, war man in Oberösterreich bemüht, die Kontinuität zwischen dem Erzherzogtum ob der Enns und dem Bundesland Oberösterreich zu betonen, obwohl Oberösterreich das einzige Bundesland war, das amtlich einen neuen Namen erhielt.

Die Machtübernahme von der Monarchie zur Republik erfolgte in Oberösterreich im Unterschied zu anderen Bundesländern völlig reibungslos, ja geradezu harmonisch. Oberösterreich war das einzige Bundesland, in dem der Landeshauptmann nicht ausgewechselt wurde. Johann Nepomuk Hauser war von 1907 bis 1927 Landeshauptmann. Zwar wurde der Name Erzherzogtum Österreich ob der Enns abgeschafft, aber der Erzherzogshut verblieb anders als in Niederösterreich oder Kärnten im Landeswappen. Auch die 1861 ausgearbeitete Landesverfassung blieb mit geringfügigen Änderungen weiter in Geltung. Man zählte auch die Landtagssessionen kontinuierlich weiter: An die letzte Legislaturperiode des Landtages der Monarchie (1909–1914/15) als XI. Wahlperiode schloss die des ersten Landtages der Republik ab 1919 als XII. Wahlperiode an. Bis heute ist die Zählung ab 1861 beibehalten. Auch wurden alle damals noch lebenden Mitglieder des Landtages von 1909/15 in die neue provisorische Landesversammlung übernommen, auch wenn sie proportional anders zusammengesetzt wurde.

Im Lande bestand ein breiter Konsens für die republikanische Staatsform. Die drei großen Parteien – die Christlichsozialen, die Großdeutschen und die Sozialdemokraten – hatten in Linz bereits am 1. November 1918 eine Kundgebung für die Republik abgehalten. Auch der monarchistisch gesinnte Linzer Bischof Johannes M. Gföllner betonte in einem Hirtenbrief vom 1. Dezember 1918 die Rechtmäßigkeit der Republik.
Am 2. November übergab der kaiserliche Statthalter Freiherr Erasmus von Handel seine Amtsgeschäfte an Landeshauptmann Hauser. Dieser bildete umgehend eine neue provisorische Landesregierung mit drei Stellvertretern: dem Christlichsozialen Dr. Max Mayr, dem Großdeutschen Franz Langoth und dem Sozialdemokraten Josef Gruber.

Brief des Statthalters

Brief von Freiherr Erasmus von Handel vom 2. November 1918.

Brief von Freiherr Erasmus von Handel vom 2. November 1918:
„Im Namen und Auftrage des Staatsrates von Deutsch-Oesterreich hat der Landeshauptmann Johann Hauser die Landesregierung in Oberösterreich provisorisch übernommen und mit seiner Stellvertretung Josef Gruber, Franz Langoth und Dr. Max Mayr betraut und denselben das Gelöbnis abgenommen. Der Statthalter hat heute der provisorischen Landesregierung in feierlicher Weise die Geschäftsführung übergeben. Die erforderlichen Weisungen werden unverzüglich an alle landesfürstlichen Behörden und Ämter ergehen.
Linz am 2. November 1918.
Hauser m.p. Landeshauptmann und Präsident des Staatsrates
Handel m.p. k.k. Statthalter.“

 

Der 2. November 1918 war also für Oberösterreich doppelt bedeutsam: Ab diesem Zeitpunkt der Landeshauptmann war mehr als nur der Präsident des Landtags; er hatte vom kaiserlichen Statthalter die gesamte politische Landesverwaltung übernommen, an die Stelle einer weitgehend zentralistisch von einem Statthalter ausgeübten Provinzregierung war eine Landesregierung unter Vorsitz des Landeshauptmanns getreten und das in einem Land, das sich nun offiziell Oberösterreich nannte. Ausgerechnet über diese außerordentliche Landesausschusssitzung vom 2. November, sicher die wichtigste Landesregierungssitzung im ganzen ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, liegt allerdings kein Protokoll vor.

Der Name Oberösterreich wird amtlich

Bis 1918 hieß Oberösterreich amtlich Erzherzogthum Österreich ob der Enns. Doch auch schon vor dem Jahr 1918 kommt immer wieder, wenn auch sehr unregelmäßig, die Bezeichnung Oberösterreich in amtlichen Schriftstücken vor.

Bis 1918 hieß Oberösterreich amtlich Erzherzogthum Österreich ob der Enns. Doch auch schon vor dem Jahr 1918 kommt immer wieder, wenn auch sehr unregelmäßig, die Bezeichnung Oberösterreich in amtlichen Schriftstücken vor.
Dass hier keine Systematik auszunehmen ist, ist angesichts der formalen Korrektheit der k.k. Verwaltung doch einigermaßen erstaunlich.


Christlichsoziale Mehrheit
Am 3. November wurde eine Vereinbarung über die Beschickung der provisorischen Landesversammlung, also des neuen Landtages, getroffen, die am 18. November im Redoutensaal ihre konstituierende Sitzung abhielt. Es wurde nicht neu gewählt, sondern es wurden nach dem letzten Wahlergebnis vor 1914 von den einzelnen Parteien Vertreter entsendet, allerdings nicht nach dem Zensuswahlrecht der Landtagswahl von 1909, sondern nach dem Ergebnis der letzten Reichratswahl der Habsburgermonarchie im Jahre 1911. In dem 1909 noch nach dem Zensuswahlrecht gewählten letzten oberösterreichischen Landtag der Monarchiezeit waren bei 69 Mitgliedern 36 Christlichsoziale, 21 Liberale, zehn Großgrundbesitzer, der Bischof (kraft seines Amtes) und nur ein Sozialdemokrat vertreten gewesen. Die Reichsratswahl von 1911 hingegen, die nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht erfolgt war, ergab für Oberösterreich ein Verhältnis von acht (Christlichsozial) zu drei (Großdeutsch) zu zwei (Sozialdemokratisch). In diesem Verhältnis wurde die neue provisorische Landesversammlung von den Parteien beschickt.

Diese am 18. November 1918 zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetretene provisorische Landesversammlung für Oberösterreich beschloss in ihrer ersten Sitzung die Beitrittserklärung des Landes Oberösterreich zur Republik Deutsch-Österreich: Durch das Ausscheiden der nichtdeutschen Völker und die Erklärung des Kaisers über seinen Verzicht auf die Regierungsgewalt sei die durch die Pragmatische Sanktion und die geltenden Staatsgrundgesetze gebildete staatliche Gemeinschaft, welcher Oberösterreich bisher angehört habe, aufgelöst worden, stellte die Provisorische Landesversammlung fest. Sie erklärte daher in einer recht schwülstigen Formulierung „kraft des Selbstbestimmungsrechtes des reindeutschen Volkes in diesem Lande“ den Ländern Niederösterreich, Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Deutschböhmen und Sudetenland „mit gleichen Rechten als Glied des Staates Deutschösterreich zur Seite zu treten, ihr Schicksal brüderlich zu teilen und erwartet, dass die anderen Länder Deutschösterreichs und die Provisorische Nationalversammlung diesen Entschluss im gleichen Geiste erwidern.“

„Oberösterreichisches“ Klima
Dass der Übergang von der Monarchie zur Republik in Oberösterreich so friedlich abgelaufen war und die politische Situation hier bis in die beginnenden 1930er Jahre sehr stabil blieb, war ein Verdienst der führenden Parteiexponenten Oberösterreichs und ihrer Bereitschaft zur Zusammenarbeit: Prälat Johann Nepomuk Hauser, Landeshauptmann von Oberösterreich und erster Präsident der provisorischen Nationalversammlung, ebenso wie der deutsch-nationale zweite Präsident Dr. Franz Dinghofer und der sozialdemokratische Landeshauptmannstellvertreter Josef Gruber waren Vertreter der Konsenspolitik, die sie sowohl auf Bundesebene wie im Land zielstrebig verfolgten.

Die Besonnenheit und die einheitliche Vorgehensweise der oberösterreichischen Politiker im Jahr 1918 wirkte lange nach. Das „oberösterreichische Klima“ wurde ein ganzes Jahrzehnt lang für eine relativ friedvolle Entwicklungsmöglichkeit beispielgebend. Dass dieses Klima allerdings der zunehmenden Radikalisierung nicht standhielt und in den 1930er Jahren der Bürgerkrieg gerade von Oberösterreich seinen Ausgang nahm, kennzeichnet die Tragik der Ersten Republik, in der sich die Konsensdemokratie angesichts der immer schärfer werdenden Konflikte nicht dauerhaft etablieren konnte.

Zeittafel  
21. Oktober 1918 Konstituierende Sitzung der Provisorischen Nationalversammlung Deutsch-Österreichs im Niederösterreichischen Landhaus
30. Oktober 1918 Gründung des Staates Deutsch-Österreich, Einrichtung einer Deutsch-Österreichischen Regierung
2. Nov. 1918 Der k.k. Statthalter für Oberösterreich überträgt der „provisorischen Landesregierung in Oberösterreich“ die Amtsgeschäfte; der Name „Oberösterreich“ wird amtlich.
3. November 1918 Waffenstillstand zwischen Österreich-Ungarn und der Entente
3. November 1918 Vereinbarung über provisorische Landesversammlung für Oberösterreich
11. November 1918 Verzicht Kaiser Karls auf die Regierungsgeschäfte
12. November 1918 Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich
18. November 1918 konstituierenden Sitzung zusammengetretene „provisorische Landesversammlung für Oberösterreich“; Beitrittserklärung des Landes Oberösterreich zur Republik Deutsch-Österreich


Literatur:

Slapnicka, Harry: 550 Stichworte zur oberösterreichischen Zeitgeschichte. Grünbach: Edition Geschichte der Heimat 2000.

Lehr, Rudolf: Landeschronik Oberösterreich. 4. Aufl. Wien 2008.

Brauneder, Wilhelm: Deutsch-Österreich 1918. Die Republik entsteht. Wien 2000.

---> Siehe auch: Der Name Oberösterreich


Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 25. Oktober 2008

   

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