LORIENT, 09.07.06 (dpa) -
Jan Ullrich und sein Betreuer Rudy Pevenage
rutschen weiter in den Sumpf der spanischen Doping- Affäre. Der
Spiegel und die Süddeutsche Zeitung zitieren in ihren Ausgaben am
Montag aus den Ermittlungsakten der Guardia Civil weitere belastende
Details.
In einem abgehörten, Pevenage zugeschriebenen Telefonat mit
dem Mediziner Eufemiano Fuentes, der den Handel mit manipuliertem
Blut geleitet haben soll, bedankt sich der Belgier für die
«Lieferung». Die Handynummer Pevenages, der Ullrich seit 1995 als
väterlicher Freund begleitet, ist bei mehreren, mitgeschnittenen
Telefonaten registriert. Die von Fuentes benutzten Codes «Jan»,
«Rudis Sohn» und «Dritte Person» werden Ullrich zugeschrieben.
T-Mobile-Manager Olaf Ludwig hat den bis zum Ende des Jahres
befristeten Vertrag mit Pevenage vorzeitig beendet: «Er hat die
Kündigung.» Angeblich hat der 52-Jährige pro Saison rund 300 000 Euro
als sportlicher Leiter verdient. Bei Ullrich, der vor dem Tour-Start
wegen seiner Verwicklungen suspendiert wurde, ist der vorläufige
Schlussstrich offensichtlich schwieriger zu ziehen. In den
Verhandlungen der Anwälte beider Parteien geht es wahrscheinlich nur
noch um die Regelung der Bezüge. Für 2006 stünde Ullrich noch etwa
die geschätzte Summe von mindestens einer Million Euro zu.
Auch wenn sich Ullrich auf seiner Internetseite weiter emotional
mit seiner Mannschaft stark verbunden gibt («Ich hatte Tränen in den
Augen»), erscheint eine Rückkehr des Ausnahmesportlers als Fahrer im
Team unmöglich. Ehemalige Mannschafts-Kollegen und auch der
öffentlich bereuende Schotte David Millar, dessen zweijährige
Doping-Sperre eine Woche vor dem Tour-Start auslief, rieten dem
Wahl-Schweizer dringend, «reinen Tisch» zu machen.
Kommunikations-Leiter Christian Frommert bestätigte am Sonntag,
dass auch eine Vereinbarung, die Ullrich eine Weiterbeschäftigung im
Konzern nach dem Ende seiner sportlichen Karriere garantierte, auf
dem Prüfstand stehe. Zum weiter schwebenden Verfahren gibt es bis
dato weder von T-Mobile, noch von den Ullrich- oder Pevenage-Anwälten
offizielle Stellungnahmen zu den Vorwürfen, die durch die Einsicht in
die Polizeiakten immer konkreter und schwerwiegender werden.
Ullrich-Manager Wolfgang Strohband sagt weiter: «Uns liegt nichts
Offizielles vor». Zeitungs-Journalisten sind da schon viel weiter
gekommen.
Ein von der Guardia Civil dokumentiertes Telefonat ist vom 18.
Mai datiert, als Ullrich beim Giro d'Italia überraschend das
Zeitfahren in Pontedera gewann. Pevenage teilte Fuentes verschlüsselt
mit«: Die 'dritte Person' hat ein Zeitfahren gewonnen». Zwei Tage
später bittet Pevenage «um mehr». Im Aktenzeichen CO.PP. 4293/06
kommt in dem grenzüberschreitenden Kriminal-Puzzle auch die
Mitteilung, offensichtlich von Pevenage an Fuentes, vor: «Wir müssen
noch über den Termin im Juni reden.» Ullrich gewann im Juni seine
Tour-Generalprobe Tour de Suisse und glänzte dabei wieder mit einem
überzeugenden Zeitfahren.
Das Tandem Ullrich/Pevenage soll sich mit manipulierten
Blutkonserven, Wachstumshormonen und dem männlichen Hormon
Testosteron illegal versorgt haben. Wegen einer angeblich dauerhaft
existierenden Allergie ist Ullrich seit langer Zeit von höchster
Stelle, dem Radsport-Weltverband UCI, gestattet, bestimmte Kortekoide
zu nehmen. Das ist in seinem «Gesundheitspass» vermerkt.
Auch Jörg Jaksche (Codename «Bella Jorg») wurde als Fuentes-Kunde
erneut ins Spiel gebracht. Über den Ansbacher Radprofi des inzwischen
aufgelösten Skandal-Teams Liberty Seguros existiert laut Polizeiakten
eine Fernsehaufnahme über einen Besuch bei Fuentes vom 14. Mai.
Jaksche soll dabei Blut abgezapft worden sein. In einem dpa-Interview
vor der Tour hatte Jaksche erklärt: «Ich hatte keine Verbindung zu
Fuentes» und es sei «unmöglich, dass von mir Aufnahmen existieren».
Vor dem Tour-Start verließ der für die Tour vorgesehene Arzt-Sohn
Straßburg mit einer Magen- und Darm-Infektion.
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