FTD-Serie: Neustart der Ökonomie
Von der Krise wurde die Zunft der Wirtschaftswissenschaftler mit wenigen Ausnahmen überrollt. Jetzt spüren einige Theoretiker wieder festeren Boden. Die FTD stellt die neuen Denker von nun an jeden Dienstag vor - in Kooperation mit dem Institute for New Economic Thinking.
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Neue Denker (24): Thomas Ferguson und die Lehren aus der Lehman-Pleite
Moral ist eine Frage des Geldes. Eine Bankenrettung muss für Thomas Ferguson zu niedrigeren Boni und dem Austausch der Chefs führen. Wer das versäumt, lande unausweichlich in einem Teufelskreis.Bis heute wird darüber diskutiert, ob die Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 hätte gerettet werden sollen, statt sie pleitegehen zu lassen. "Die Bank schon, aber nicht die Banker", sagt Thomas Ferguson. Mit den Kosten und Gefahren eines solchen Bailouts kennt sich der Ökonom aus Boston gut aus - und kommt zu einem dramatischen Fazit: Die Schuldigen seien ohne Konsequenzen davongekommen. Das nächste Beben in der Finanzwelt sei nicht unwahrscheinlich. Denn: "Eines der größten Probleme, das die Krise verursacht hat, ist nicht behoben worden", warnt Ferguson.
Die Idee
Das Problem, von dem Ferguson spricht, nennt sich Moral Hazard. Der Begriff stammt aus der Versicherungswirtschaft und beschreibt, wie sich das Verhalten eines Menschen ändert, wenn er gegen ein Risiko versichert ist. Mit der Police in der Tasche gehen viele Kunden höhere Risiken ein. Ferguson hat untersucht, wie das unmoralische Verhalten der Akteure am Finanzmarkt mit der Entstehung von Finanzkrisen zusammenhängt. Dabei hat er auch die Lehman-Pleite betrachtet.
"Von den Auswirkungen waren alle so schockiert, dass es ein ungeschriebenes Übereinkommen gab", sagt Ferguson: Etwas wie diese Pleite dürfe nie wieder passieren. Der Begriff "too big to fail" machte die Runde - für Banken, deren Kollaps die Finanzwelt noch tiefer in die Krise stürzen ließen, die daher gerettet werden müssten. Das lud die Banker in der Folgezeit geradezu ein, das System auszunutzen.
"Sie konnten weitermachen wie bisher und wussten, dass sie, wenn etwas schiefgeht, gerettet werden", kritisiert Ferguson. Und das, obwohl sie mit riskanten Spekulationen die Krise mitverschuldet hatten. Doch mittlerweile stehen viele Banker als Gewinner da. Im Vergleich zu kleineren Unternehmen, denen der Staat nicht unter die Arme greifen würde, steigt ihr Aktienkurs. Außerdem können sie zu besseren Konditionen Geld leihen: Im Notfall zahlt ja der Staat.
Was Praktiker daraus lernen
Das Problem des Moral Hazard zu beheben, ist laut Ferguson so gut wie unmöglich. "Wer ein Happy End will, sollte Disneyfilme schauen", sagt er. Die Frage sei eher, wie man ein "Happier End" erreichen kann. So lassen sich für Ferguson die Kosten, die durch die Rettung von Banken entstehen, begrenzen, wenn auf verschiedenen Ebenen gegen das unmoralische Verhalten vorgegangen wird.
Angefangen werden soll laut Ferguson ganz oben: In den Chefetagen der großen Banken sitzen teils noch immer die gleichen Leute wie vor der Krise "und belohnen sich wieder mit großzügigen Boni".
Bei einer Bankenrettung kommt es laut Ferguson vor allem auf das Wie an. Dass die Banken vor dem Zusammenbruch bewahrt werden, sei an sich gut. Aber: Danach gehöre "das gesamte Management ausgetauscht", so Ferguson. Zur Lösung des Problems gehöre auch, dass die Boni der Banker sich niemals am kurzfristigen Ergebnis orientieren, sondern an ihrer langfristigen Leistung. Die Pleite müsse für alle die gleichen katastrophalen Folgen haben. Sonst ist die Gefahr einer Wiederholung des riskanten Verhaltens groß. Und: Die Bankenrettung endet in der moralischen Falle.
Politologischer Ansatz |
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Engagement Thomas Ferguson ist Professor an der University of Massachusetts. Er arbeitet zudem für das Roosevelt Institute und sitzt im Vorstand des Institute for New Economic Thinking. |
Finanzkrisen Ferguson ist ein ausgewiesener Experte für politische Ökonomie. Er beschäftigt sich schon lange mit der Frage, wie Finanzkrisen entstehen und wie man ihre Folgen eindämmen kann. |
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11.09.2010
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