MÂCON, 21.07.06 (rsn) -
T-Mobile hat am Don- nerstag die «außer- ordentliche
Kündigung des Fahrervertrags» mit Jan Ullrich erklärt. Wie der des
Dopings ver- dächtigte frühere Tour-de-France-Sieger in einer Fax-
Erklärung mitteilte, werde er die Kündigung nicht akzeptieren.
Neben Ullrich wurde auch
sein spanischer Teamkollege Oscar Sevilla
fristlos entlassen.
Der Belgier Rudy Pevenage war
bereits vor Wochen als Sportdirektor gefeuert
worden wegen seiner Verstrickung
in die Fuentes-Dopingaffäre.
"Da Jan Ullrich und Oscar Sevilla keinen Beweis ihrer Unschuld angetreten
haben, war die Kündigung der notwendige und folgerichtige Schritt nach
ihrer Suspendierung", wurde Teammanager Olaf Ludwig
in einer T-Mobile-Pressemitteilung zitiert. "Wir
sind alle sehr enttäuscht, dass es zu diesem Schritt kommen musste. Die
uns vorliegenden Erkenntnisse lassen allerdings keine andere
Entscheidung zu", sagt Christian Frommert,
Leiter der Abteilung "Sportkommunikation" des Mobilfunkkonzerns.
Auch die vereinbarte
Zusammenarbeit mit
Ullrich nach seiner Karriere,
sei hinfällig, hieß es.
Das Jahresgehalt des
32-jährigen Wahl-Schweizers aus Rostock wird auf 2,5 Millionen Euro
geschätzt.
"Wir konnten ja nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag warten. Jan
Ullrich hatte uns zugesagt, seine Unschuld zu beweisen. Das ist
bisher nicht geschehen. Deshalb mussten wir ihm kündigen, wir mussten
Fristen einhalten", begründete Frommert die Kündigung, die
nicht überraschend kam.
Wir respektieren Jan Ullrichs Auffassung, in einem Rechtsstaat gelte nicht
nur für ihn, sondern für jeden anderen Menschen auch die
Unschuldsvermutung, bis das Gegenteil bewiesen wurde, sagt Frommert.
Aber der Sport, insbesondere der Radsport hat sich eigenen ethischen
und moralischen Regeln verpflichtet, die auch in den Verträgen der Fahrer
dokumentiert sind. Ein aktives Mitarbeiten an einem Beweis der Unschuld
habe man aus diesem Grund für angebracht gehalten, ergänzte Olaf
Ludwig.
Jan Ullrich will sich gegen die von seinem Team T-
Mobile ausgesprochene «außerordentliche Kündigung des Fahrervertrags»
notfalls auch juristisch zur Wehr setzen. Wie der des Dopings
verdächtigte Tour-de-France-Sieger von 1997 in einer Erklärung am
Freitag mitteilte, werde er die Kündigung nicht akzeptieren. «Die
Kündigung von T-Mobile ist für mich nicht akzeptabel. Sehr enttäuscht
bin ich darüber, dass mir diese Entscheidung nicht persönlich,
sondern von den T-Mobile- Anwälten nur per Fax mitgeteilt wurde.»
Auf Ullrichs Internetseite heißt es weiter: «Ich finde es
beschämend, dass ich nach so vielen Jahren guter Zusammenarbeit und
nach allem, was ich für das Team getan habe, wie eine Faxnummer
behandelt werde.» Am 30. Juni, einen Tag vor dem Prolog der Tour,
waren Ullrich, sein Teamkollege Oscar Sevilla und sein Betreuer Rudy
Pevenage vom T-Mobile-Team suspendiert worden. Ullrichs Traum vom
zweiten Tour-Triumph war damit geplatzt.
«Die Kündigung ist unbegründet», sagte am Freitag auch Ullrichs
Manager Wolfgang Strohband: «Sofern das für die nächste Woche
geplante Gespräch keine Einigung bringt, wird Jan Ullrich die
Kündigung gerichtlich anfechten.» Vertreten wird Ullrich von
Rechtsanwalt Dr. Ulrich Theune. Der meinte: «Die Kündigung wird
keinen Bestand haben.»
Spanische Ermittlungsbehörden hatten Ende Mai ein Dopingnetzwerk in
Madrid
ausgehoben, in dessen Mittelpunkt der Mediziner Eufemiano
Fuentes steht. Hinweise, die bei Hausdurchsuchungen sowie
abgehörten Telefonaten und SMS gefunden wurden und die auf eine
Verwicklung im Dopingskandal deuteten, belasten unter anderen auch Jan
Ullrich, Oscar Sevilla sowie Rudy Pevenage schwer.
Ullrich, Amateur-Weltmeister
von 1993, begann 1995
bei Team Telekom seine Profikarriere
unterbrach das Engagement nur 2003 für ein Jahr, als er erst für Coast
und dann für das italienische Team Bianchi fuhr.
Zunächst mit dem Team Telekom und dann mit T-Mobile feierte
Ullrich seine größten sportlichen Erfolge. Neben dem Tour-Sieg 1997
fuhr Ullrich fünf Mal auf den zweiten Platz der Frankreich-Rundfahrt,
gewann die Vuelta de Espana, zwei Mal die Tour de Suisse und holte
bei den Olympischen Spielen in Sydney Gold im Straßenrennen und
Silber im Zeitfahren.
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