Pressestimmen Dezember 2009

Sein Weg

Natürlich neugierig: der Cellist Nicolas Altstaedt

Kronleuchter hängen an der Decke, Marmorsäulen schmücken die Wände. Der Festsaal des Hotels Imperial in Wien gehört zum Repräsentativsten, was die Stadt zu bieten hat. Die Credit Suisse hat zur Pressekonferenz eingeladen. In der Saalecke neben dem Eingang steht ein junger Mann mit dunklen Locken vor einem silbernen Cellokasten. Es sieht nicht unbedingt so aus, als ob er hier bei der richtigen Veranstaltung ist. Kurze Zeit später wird klar: Er ist der Grund der Veranstaltung. Nicolas Altstaedt ist der Preisträger des mit 50 000 Euro dotierten „Credit Suisse Young Artist Award 2010“. Die Wahl fiel einstimmig auf den 1982 geborenen Cellisten.

Nicolas Altstaedts Karriere ist künstlerisch schon weit fortgeschritten, dennoch dreht sich bei ihm selten eine große PR-Maschine im Hintergrund. Er spricht auch lieber über die Eigenschaften seines von der Deutschen Stiftung Musikleben zur Verfügung gestellten Nicolas-Lupot-Cello als über sein Lieblingsessen. „Der Credit Suisse Young Artist Award ist für mich eine Bestätigung, dass mein Weg richtig war. Dass man auch Erfolg haben kann, wenn man sich den Gesetzen des Klassikmarkteswidersetzt.“ Der Anfrage eines großen Labels hat er im vergangenen Jahr widerstanden, weil die programmatischen Vorstellungen nicht mit seinen vereinbar waren. Darum erschien seine jüngste CD beim Label Genuin. Mit der Kammerakademie Potsdam unter Michael Sanderling interpretiert er hier sehr eindringlich die beiden Cellokonzerte von Joseph Haydn.

Begonnen hat Nicolas Altstaedt sein Studium 2001 bei Ivan Monighetti in Basel. Nach zwei Jahren wechselt er nach Berlin zu Boris Pergamenschikow – und wird einer seiner letzten Schüler. „Am Ende hat Boris Pergamenschikow seine Celloklasse halbiert, wir waren nur noch sechs Studenten bei ihm. Er unterrichtete zu Hause, wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Er hat sich bis zur Selbstaufgabe für uns eingesetzt. Auch noch, als er schwer krank war, hat er immer angerufen und sich erkundigt, wie es uns geht“, erzählt Altstaedt. „Als Lehrer hat Pergamenschikow ja keine Cello- Schule entwickelt – das war ihm wichtig. Wir Studenten waren sehr unterschiedlich. Er hat das gefördert.“

Sein Studium setzt Altstaedt dann in Berlin bei David Geringas und Eberhard Feltz fort. Neben dem klassischen Kernrepertoire beschäftigte er sich schon immer mit Neuer Musik, für ihn eine Selbstverständlichkeit. Er spielte die Schweizer Erstaufführung von Georg Friedrich Haas’ Cellokonzert und arbeitete mit Komponisten wie Wolfgang Rihm, Moritz Eggert und Sofia Gubaidulina zusammen. Auch Altstaedts CD-Produktionen spiegeln seinen breiten musikalischen Horizont. Das Cellokonzert von Robert Schumann kombinierte er beispielsweise mit dem von Friedrich Gulda.

Neben vielen anderen Preisen gewann Nicolas Altstaedt auch 2005 den Domnick- Cellowettbewerb der Stuttgarter Musikhochschule, der vom dortigen Celloprofessor Jean-Guihen Queyras mit einem Neue-Musik-Schwerpunkt ausgestattet wurde. „Nicolas hat zweifellos alles, um einer der wichtigsten Musiker seiner Generation zu werden“, schwärmt Queyras. „Er ist technisch höchstbegabt, sehr neugierig, und spielt keine einzige Note einfach routiniert, sondern ist immer mit vollem Herzen und wachem Geist dabei.“

Georg Rudiger, Tagesspiegel 29.12.2009

Ankerlose Exzellenzen im Meer der Öffentlichkeit

Berlins Beitrag zum Aktionstag Musikalische Bildung an Deutschlands Musikhochschulen

„Können Sie sich eine Welt ohne Musik vorstellen? Wir nicht. Die deutschen Musikhochschulen." Mit diesem Slogan starteten am 19. November die deutschen Musikhochschulen ihre „Initiative musikalische Bildung" mit einem gemeinsamen deutschlandweiten Aktionstag. In Berlin beteiligten sich die beiden Musikausbildungsstätten - mit prägnant unterschiedlichem Programm.

An der Horchschule für Musik Har ins Eisler startete man im Studiosaal mit einem Blechbläserquintett und einem Djembe-Ensemble. Im Publikum vorwiegend Schüler aus naheliegenden Grundschulen nebst. ihren Lehrern und Aufsichtspersonal. Man spielte Werke vom Choral bis zur Filmmusik, durchaus persönliche Einlassungen der Musiker, warum Musik so schön und toll sei und sie sie machten, ergänzten das Programm. Das Ganze endete in einem Ratespiel. Entspannt und doch aufregend, wunderbar musiziert. Zum Ende dann war die Bühne voll und das Auditorium so gut wie leer. An diese Vorführung schlossen sich Einblicke in den Übe- und Lernalltag an. Man konnte Unterrichtssituationen beiwohnen: Schüler des Berliner Musikgymnasiums „Carl Philipp Emanuel Bach" als Hochschulschüler, anschließend Konzert. Musikpraxis auf hohem Niveau also, insgesamt aber ein wenig einseitig in der Form der Aktion.

Ein bisschen mehr Grips brachte man in der Musikabteilung der Universität. der Künste auf. Unter der Koordination von .Jörg Schweinbenz stellte man sein ganztägiges Programm unter das Motto „Wie entsteht, Musik“. Das reichte von Fragen zur Arbeit. mit Neuer Musik, über „Rhythmik is it.“ und „Hurz! Entstehung der Musik aus dem Geiste der Komödie“ bis ins Tonstudio von Martin Suppen. Die außeruniversitäre Beteiligung blieb aber zum Teil doch gering. Schwierig war die Situation für die „Dozenten“ auch insofern, als sie nicht zu wissen vermochten, ob nun der Raum gerammelt voll sein oder eben niemand kommen würde.

Die Idee des Aktionstages, die die Musik als fünftes Element ins Zentrum hob, war zu bemerken, doch wirkten die Konzepte ihrer Umsetzung noch ein wenig unbeholfen, wie engagiert sie im Detail auch durchgeführt wurden. Insbesondere war der Aktionstag in den Berliner Institutionen selbst wenig verankert. Neben dem Aktionstag lief der normale Hochschulbetrieb weiter, was sich dann in fehlender Beteiligung von Lehrenden und Studierenden selbst äußerte. Das nährt den Verdacht, dass die Hochschulen den Aktionstag nicht wirklich ernst genommen haben. Die Absicht, an die „Öffentlichkeit mit einem bundesweiten Aktionstag zur Bedeutung der musikalischen Bildung“ heranzutreten mit dem „Ziel, auf die Unverzichtbarkeit der musikalischen Bildung in einer menschlichen Gesellschaft aufmerksam zu machen“, ist zumindest in Berlin nicht realisiert worden.

Fraglich bleibt, zudem, ob es überhaupt im und mit dem Medium Musikhochschule je funktionieren wird, einmal abgesehen davon, ob man dies mit begrifflich leeren Hülsenfrüchten wie der Anregung zur „nachhaltig wirksamen Erfahrung mit Musik“ bewerkstelligen kann. Wenn die Theorie schon so blutleer ist, wie kann dann die Praxis Besseres leisten? Dabei war die Plakatidee mit der Musik als fünftens Element sehr griffig und faszinierend. Und bevor es Nachfragen gibt, nein; auch der Deutsche Musikrat schafft diese Öffnung in die Öffentlichkeit nicht und wird dies auch nicht schaffern können.

So muss auch der Aktionstag, zumindest, in Berlin, eher als ein punktueller Beitrag erscheinen, um dem selbstgestellten Anspruch der Initiative musikalische Bildung gerecht zu werden. Die dabei waren, hatten offensichtlich durchaus ihren Spaß und ihre Erkenntnisse. Ein bisschen mehr Wirkung nach innen freilich, täte allerdings not, bevor man nach außen schielt.

Martin_Hufner_neue_musikzeitung_1.12.2009

Ein Video zum Aktionstag finden Sie unter www.nmz.de.

Liebe auf den ersten Griff

Karriere con fuoco: Mit elf Jahren entdeckt Mischa Meyer sein Instrument, mit 24 ist er Solo-Cellist beim Deutschen Symphonie-Orchester.

Wenn Mischa Meyer zu einem Cello- Solo ansetzt, blickt sogar der unkonzentrierteste Abonnent von seiner Programmheft-Lektüre auf: Wo kommt denn dieser inniglich aufblühende, leidenschaftlich singende Klang her? Von dem jungen, rotblonden Mann mit den sinnlichen Lippen und dem melancholischen Gesichtsausdruck, der beim Deutschen Symphonie- Orchester ganz vorne sitzt. So ein Klang gelingt nur Musikern, die ganz mit sich und ihrem Instrument im Reinen sind.

Es war Liebe auf den ersten Griff: Der 1983 in Baden-Baden geborene Mischa Meyer hatte schon mehrere Jahre lang Klavier gespielt, als ihm sein Musiklehrer vorschlug, es doch mal mit dem Cello zu probieren. Was aufseiten des Pädagogen rein pragmatische Gründe hatte – im Schulorchester waren gerade die tiefen Streicher unterrepräsentiert – stellte sich für den Elfjährigen als Glücksfall heraus. Das Instrument, das man ihm in die Hand drückte, war in einem erbärmlichen Zustand, ein Schrammelkasten, doch Mischa Meyer spürte sofort, dass er hier sein Instrument gefunden hatte. Die Spielhaltung, die einer Umarmung gleicht, die Art, wie die Töne beim Entstehen den ganzen Körper durchströmen, das war’s, das sollte es sein.

Von dem Moment an ging alles ganz schnell. Und völlig organisch. Die Eltern haben ihn nicht zum Üben drängen müssen, der Ehrgeiz kam ganz aus ihm selber. Sogar sein geliebtes Tischtennis ließ er fahren, um in jeder freien Minute die vier Saiten seines Cello zu streichen. Er wird Jungstudent an der Karlsruher Musikhochschule, wechselt 2004 nach Berlin an die Eisler-Musikhochschule, wird als 24-Jähriger zum Solo- Cellisten des Deutschen Symphonie-Orchesters gewählt. Eine Bilderbuchkarriere, ebenso rasant wie brillant, oder, um es auf Musiker-Italienisch zu sagen: allegro con spirito.

Mischa Meyer, das muss man allerdings auch erwähnen, hatte ideale Startbedingungen: Sein familiäres Umfeld ist von klassischer Musik geprägt, Vater wie Mutter verdienen als Profimusiker ihr Geld, sie als Solo-Flötistin beim SWR-Orchester, er als Klarinetten- Professor, der zeitweilig auch die Karlsruher Musikhochschule leitet. Und seine Tante ist die weltweit gefragte Klarinettistin Sabine Meyer. Was er im Interview aber geflissentlich verschweigt. Weil er sich schon zu oft die Unterstellung anhören musste, er habe es ja als Spross der Meyer-Dynastie wohl leichter gehabt, voranzukommen.

Das entbehrt natürlich jeder Grundlage: Denn was nützen einem die bekannten Verwandten, wenn man bei einem Wettbewerb mitmacht oder sich um eine Orchesterstelle bewirbt? Mit 16 gewinnt Mischa Meyer seinen ersten Preis, sechs weitere folgen. Und als er zum allerersten Mal austesten will, wie sich ein Vorspiel bei einem so selbstbewussten, international renommierten Ensemble wie dem Berliner DSO wohl anfühlt, ergibt sich sofort eine Festanstellung. Dabei beendet er sein Studium offiziell erst in diesem Wintersemester.

Dass man ihm als Berufsanfänger die Chance gegeben hat, sich zu beweisen, dafür ist Mischa Meyer nach zweieinhalb Dienstjahren seinen Kollegen immer noch dankbar. Beim Treffen in seiner bescheidenen Junggesellen-Bude in Prenzlauer Berg spricht er nur von „meinem Orchester“. Die jüngst aufgekommene Idee, das DSO mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester zu fusionieren, traf ihn darum auch ins Mark. Weil er sich völlig mit der Truppe identifiziert: „Ich habe sofort gespürt: Hier bist du richtig.“ Der offene Geist des Orchesters passt zu einem wie ihm, für den fast alle Konzerte Entdeckungsreisen sind. Aber auch, wenn er viele Stücke zum ersten Mal live im Orchester spielt, muss er auf seiner Position dennoch führen können. Neben dem Konzertmeister und der 1. Oboe gehört der Solo-Cellist zu den Führungspersönlichkeiten im Orchester, die den Laden im Zweifelsfall zusammenhalten, wenn es Koordinationsprobleme gibt oder die Musiker mit einem Dirigenten nicht einverstanden sind. Die Kollegen warten auf seinen Impuls, wenn gemeinsam gezupft werden soll, erwarten von ihm, dass er stets die anderen Stimmen mitverfolgt, damit sich seine Cellogruppe passgenau in den Gesamtklang des Tutti einfügen kann.

Mischa Meyer selber spielt die Bedeutung seines Jobs im Gespräch herunter, in einer sympathischen Mischung aus Stolz und Bescheidenheit. Er empfindet sich als primus inter pares, ein Erster unter Gleichen. Schließlich geht es ihm ja nicht um Machtfragen, sondern um die Partituren. Darum macht er neben seinem Orchesterjob auch so viel Kammermusik wie möglich, im Ovid-Trio, im Hanns-Eisler-Quartett, beim Solistenensemble Kaleidoskop des Radialsystems. Oder eben auch mit Kollegen vom DSO, wie heute Abend im Tacheles.

Von dem melancholischen Ausdruck, den Mischa Meyers Gesicht auf der Bühne annimmt, sollte man übrigens nicht auf seine Grundhaltung dem Leben gegenüber rückschließen. Er selber empfindet sich als grundoptimistischen, positiv denkenden Menschen. Dass er beim Spielen wie entrückt wirkt, hat er allerdings schon oft gehört. Der Grund ist einfach: „Es gibt nur wenig, was mich so glücklich macht wie die Musik.“

Frederik_Hanssen_Tagesspiegel_18.12.2009

Orte der Stille

Der Galakutschensaal der Musikhochschule Hanns Eisler kennt die Leere, kennt leise und laute Töne, Proben und Konzerte, die jeder gratis anhören kann. Der Weltklassegeiger Kolja Blacher stellt ihn vor

Manchmal verliere ich in diesem riesigen Gebäude noch immer die Orientierung. Wo war noch mal der Galakutschensaal I? Ach ja, noch eine Treppe höher im Neuen Marstall, zweiter Stock, rechts durch die große Flügeltür. Ich bin nicht fremd in dieser Stadt, bin gebürtiger Berliner – Mexikoplatz – aber erst wieder seit April hier. Mit 15 zum Studium an die New Yorker Juilliard School of Music, 83 nach Berlin zurück, von 93 bis 99 bei den Philharmonikern, dann zehn Jahre als Professor für Violine an der Hamburger Musikhochschschule, jetzt für eine Professur zurück. Hier liegen meine Wurzeln.

Die Musikhochschule Hanns Eisler war durchaus ein Traumziel, Deutschlands Streicherschule von Rang, außerdem im Zentrum des alten Berlin, in der musikalisch interessantesten Stadt der BRD. Und dann dieses Gebäude: früher der Pferdestall des Schlosses, außen neobarock-klassizistisch und innen seit dem Umbau hoch modern, sehr gelungen. Die hohen Räume lassen Luft zum Atmen.

Der Galakutschensaal ist einer von drei Konzerträumen, alle sehen ähnlich aus: Parkettfußboden, eine Klinkerwand, schallabsorbierende Plexiglaselemente; hier drinnen dämmen milchig weiße Kunststoffblasen die langen Seiten. Wenn man alleine ist, herrscht eine schöne Stille. Durch die beiden großen Fenster wirkt der Raum offen und hat doch etwas Beschützendes. Dann dieser Ausblick: direkt auf Dom und Schloßplatz – ich wünschte, die grüne Wiese dort würde bleiben. Draußen dieses wilde Treiben der Großstadt, die Schlange vorm Museum und hier drinnen: Ruhe.

Doch, doch, der Begriff Ort der Stille trifft zu. Musik hängt ja mit Stille zusammen. Wo keine Stille, da keine Musik. Wo es keine Pausen gibt, fällt die Musik nicht mehr auf. Überall draußen wird man beschallt, ununterbrochen: im Taxi, im Supermarkt, die Leute laufen rum mit Knopf im Ohr. Der Kontrast sind diese Räume: ein Klang, der verhallt, eine Pause – wunderbar. Hören Sie? Die Akustik hier drin ist gut: hell und klar. Die Paneele versuchen, die Härte rauszunehmen. Leer ist der Saal etwas überakustisch, wie in einer Kirche. Zu viel Nachhall. Voll, mit Publikum, klingt er richtig gut.

In den beiden Galakutschensälen und im Krönungskutschensaal finden vor allem Konzerte statt. Aber ich bin mit meinen Studenten auch immer wieder zum Proben hier drin, für Prüfungen, für Vorspiele. Der Raum mit den aufgereihten schneeweißen Stühlen und den beiden schwarz glänzenden Bösendorfer Flügeln ändert dann sein Gesicht. Bei den Proben findet nur hier oben auf der Bühne was statt, der Zuschauerraum bleibt leer. Dann gibt es die internen Vorspiele: jemand musiziert auf dem Podium, andere Studenten sitzen im Raum verstreut. Bei Prüfungen ist da unten, etwa auf der Mitte der Stuhlreihen, ein langer Tisch für die Professoren. Tagelang sitzen wir Lehrer da bei den Aufnahmeprüfungen und hören uns Hunderte von Geigern an, meist 17- oder 18-jährige Talente, manchmal auch Jungstudenten von 13 Jahren. Für die Klassenkonzerte oder die offenen Masterklassen wird der Galakutschensaal regelmäßig zum Konzertraum. Jeder Besucher von draußen kann hierher kommen und sich die Studenten anhören, kostenlos Konzerte genießen, die ganze Woche über. Die sind natürlich nicht perfekt, das hier ist „work in progress“. Aber die Studierenden müssen ja auch lernen, vor Publikum aufzutreten. Sie müssen sich an den Prozess des Konzertgebens gewöhnen, mit dem Publikum kommunizieren trotz der Nervosität.

Ich spiele seit mehr als 20 Jahren Konzerte. Aber raus zu gehen und da sitzen 2000 Leute ist nicht einfach. Selbst für mich gibt es Zeiten, da fällt das nicht leicht: Jetlag, Reisestress, altes oder neues Repertoire, unterschiedliche Dirigenten. Und wie’s der Geige geht, merkt man erst auf der Bühne. Wenn ich weite Strecken geflogen bin – manchmal habe ich an die 60 Auftritte im Jahr – ist meine Stradivari etwas verschnupft. Doch, doch, ich hör’ das, andere nicht.

Und natürlich bin ich nervös, wenn meine Schüler auftreten. Ich will ja, dass sie gut spielen. Diese Vorspiele sind für jeden ein Prüfstein: Mal tritt jemand mit etwas Neuem auf oder er hat etwas an seiner Technik verändert. Da zeigt man Nerven. Was hier passiert, ist etwas Lebendiges. Und immer dann ist dieser Galakutschensaal auch ein Raum der Emotionen – wie alle Orte, an den Musik erklingt. Aufgezeichnet von Susanne Leimstoll

Susanne Leimstoll_Tagesspiegel_01.12.2009