Pressestimmen Dezember 2008

"Musiker sind doch keine Dienstleister"

Bei einem noblen Empfang begrüßte der Gastgeber alle anwesenden Würdenträger mit stilvoll persönlichen Worten, dann zog er einen Zettel aus der Tasche, um noch schnell die Namen der spielenden Musiker vorzulesen. Sie habe ihm hinterher gesagt, dass es unhöflich sei, sagt Andrea Gräfin von Bernstorff.

Musiker seien schließlich keine Dienstleister, sondern Persönlichkeiten. So wären sie auch zu behandeln.
Und so betont die Vorsitzende des Fördervereins der Musikhochschule "Hanns Eisler" auch, dass "wir für musikalisch Hochbegabte einstehen, für die Förderung von Eliten." Obwohl sie weiß, dass sie damit eine Position vertritt, die im bundesdeutschen Studierbetrieb eher zögerlich ausgesprochen wird. Richtig ist: Musikhochschulen brauchen ausreichend Studenten, auch in Deutschland. Und manch ein Professor muss seine Klasse voll bekommen, weshalb manchmal bei Eignungsprüfungen wohl beide Ohren zugehalten werden. Künstlerische Eliten sind rar.
"Wir verstehen uns auch als eine Art Herzschrittmacher", sagt die Chefin des Förderkreises, der mittlerweile 200 Mitglieder zählt. Diese Aussage kann man einerseits als Wiederbelebung des zweifellos so zu DDR-Zeiten nicht gepflegten Mäzenatentums deuten. Aber es zielt vielmehr in Richtung einer herzlichen Fürsorge von jungen Künstler-Individuen. Zumal rund die Hälfte der 600 Eisler-Hochschüler nicht aus Deutschland kommt.

artemis quartett
artemis quartett
kuss quartett
kuss quartett

Jeder kann eine Starthilfe gebrauchen. Der Förderkreis, der seit nunmehr zehn Jahren die hilfreiche Vernetzung vorantreibt, hat deshalb beispielsweise ein Kaffeetrinken für Erstsemester eingeführt. Und mittlerweile hat der Förderkreis, der Patenschaften und - wohlgemerkt - bezahlte Konzerte für Studenten vermittelt, auch zwei eigene Preise ausgelobt. Dazu gehören der startup!music-Preis und der Boris-Pergamenschikow-Preis. Für letzteren findet heute ein vom Förderkreis organisiertes Benefizkonzert statt, bei dem das Kuss Quartett und das Artemis Quartett Werke von Schubert, Tschaikowski und Mendelssohn Bartholdy spielen.

Volker Blech_Berliner Morgenpost_14. Dezember 2008

Solo zum großen Erfolg

Das "Wunder von Berlin", so könnte man die Talentschwemme nennen, mit der in den letzten Jahren ein ganzer Schwung junger Cello-Absolventen (wie Claudio Bohorquez, Danjulo Ishizaka, Claudius Popp, Sebastian Klinger und Nikolas Altstädt) die Welt klassischer Musiker neu angeheizt hat.

Die Super-Talente waren dem guten Ruf der Hanns Eisler Musikhochschule (und dem Magnetismus zweier berühmter Cello-Lehrer) gefolgt.

Generation Cello

Johannes Moser ist heute der wohl bekannteste Repräsentant dieser "Generation Cello". Konkurrenz hebt den Wettbewerb. "In Lübeck gehörte ich zu den Platzhirschen", sagt er. In Berlin hat die verschärfte Lage Berufsverständnis und Vorgehen eines Cellisten geprägt, dessen Zwischenbilanz lautet: "Der Irrsinn einer Karriere ist kalkulierbar." Man muss es allerdings strategisch und entschieden anpacken. Zu unserem Gespräch im Literaturcafé ist Moser überpünktlich einige Minuten früher erschienen. Die helle Kluft des 29-Jährigen signalisiert Sportsgeist und Dynamik.
Zwei bis drei Stunden täglich verbringt Moser am Schreibtisch, um Angebot und Nachfrage zu sortieren oder zu stimulieren. Das erscheint durchaus ungewöhnlich. Mehrere Agenturen in unterschiedlichen Ländern fixieren seine Präsenz auf den verschiedenen Konzertmärkten. Mosers Homepage enthält Downloads, Fotos und einen aktuellen Podcast, um sich auch einer klassikfernen Laufkundschaft vorzustellen. Anbiedern will er sich nicht. Vor Encore- und Schmankerl-Programmen hält er sich fern. Immer nur das Kernrepertoire zu spielen, lehnt er gleichfalls ab.
Seine 80 Konzerte pro Jahr enthalten immerhin ein Viertel Kammermusikabende - rund um die Welt und gern im Trio mit der berühmten Geigerin Midori und dem Pianisten Jonathan Biss. Bei Konzertauftritten hört er beflissen auch die zweite Hälfte an - während solistische Kollegen dann meist längst beim Essen sitzen. Moser präsentiert sich auf den ersten Blick als Schwiegermutter-Schwarm. Die superprofessionelle Herangehensweise, die sich offenbar auszahlt, ist ihm indes schonungslos an der Wiege gesungen worden.

johannes moser
johannes moser

Seine Tante ist die berühmte Koloratursopranistin Edda Moser. Seine Mutter, die kanadische Sopranistin Edith Wiens, war lange Zeit gern gesehener Gast bei den Berliner Philharmonikern. Sie vertauschte zeitig - nach einem New Yorker Gastspiel unter Kurt Masur - die aktive Gesangslaufbahn mit einer Doppel-Professur in Nürnberg und München. Der Papa ist Cellist im BR-Orchester, Bruder Benjamin Pianist. Kurz: eine Konstellation, bei der man nicht recht weiß, ob man sie als Glück oder als unausweichliches Schicksal betrachten soll.
Dem Zufall überlassen ist in Johannes Mosers Leben jedenfalls nichts. Einen "unromantischen Bezug zur Musik" nennt er das, was er von der Familie mitbekommen habe. Die Eltern ermutigten oder drängten ihn nicht. (Noch immer der beste Trick!) Ein Berufsbild von "Knochenarbeit" und "Disziplin" entzauberte zunächst alle süßlichen Ideale, bevor der Kleine mit acht Jahren richtig loslegte.
Heute begreift er sich als "mein eigener Regisseur". "Die Berufsmechanismen, wie sie heute sind, machen es angehenden Großtalenten schwer genug", meint er. Den Anfang bei seinem Lehrer beschreibt er als schwierig. "David Geringas wusste, dass ich nur so mitlaufen könne, bevor ich gut genug sein würde, um auf eigenen Füßen zu stehen."
2002 gewann er den zweiten Preis beim Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau. Er musste indes feststellen, dass "trotzdem gar nichts passierte". Was also tun, um Engagements daraus zu machen? Moser zog von Haus zu Haus und fragte bei Dirigenten nach, ob er ihnen vorspielen dürfe. (Mit dieser Methode zum Ziel gekommen zu sein, darauf war schon der große Vladimir Horowitz stolz.) Den japanischen Maestro Seiji Ozawa sprach er hinter der Bühne an. Zubin Mehta empfing ihn in der Bayerischen Staatsoper. Riccardo Muti, Lorin Maazel, Valery Gergiev und Christian Thielemann - die Legenden der Zunft - griffen allesamt zu. Man muss auf den Teufel zugehen, will man der Hölle der Unbekanntheit entkommen. An spielfreien Abenden, meint er, wolle er "nicht die Marke Johannes Moser" sein. Strikt trennt er zwischen 'Schalterstunden' und Privatem. Er kenne genug Dirigenten, die auch nach dem Konzert noch "mit gestützter Stimme wie ein Operettenbass" sprechen. Viele Musiker ließen in den ersten Augenblicken eines Gesprächs anklingen, von welcher großen Bühne sie gerade kommen. "Das ist der Preis eines Solistenlebens heute. Ich will ihn nicht bezahlen."

Unbekannte Komponisten

Auch seine CDs sind bei Moser fester Bestandteil eines Gesamtplans. "Für mein Platten-Label Hänssler werden CDs dadurch bezahlbar, dass der SWR produziert." Mit Werken unbekannter Brahms-Zeitgenossen wie Robert Fuchs, Heinrich von Herzogenberg und mit der Welt-Ersteinspielung von Alexander von Zemlinskys a-Moll-Sonate hat er sich gleichwohl als musikalischer Ausgrabungskünstler verdient gemacht. Von seinem Lehrer David Geringas hat er sich nach dem Studium hart abgenabelt, um den Kopf frei zu bekommen für den eigenen Weg.
Und bewertet die Gefahr des Künstlers, "zur Eitelkeit verführt und verdammt zu sein", dennoch als sehr hoch. "Man fängt heute sehr früh an zu pfuschen", sagt er.
An dem mit Plan, Überlegenheit und professionellen Notbremsen operierenden Johannes Moser, dessen Geschichte beispielhaft erfolgreich verläuft, zeigt sich, wie Karrieren heute auch ohne die PR-Dampfwalze großer Konzerne gut funktionieren können. Man muss den Werdegang in die eigenen Hände nehmen. Und kann es dank Internet, kleinerer Firmenpartner - und aus eigener Kraft.

Kai Luehrs-Kaiser_Berliner Morgenpost_21. Dezember 2008