Pressestimmen November 2003

Kränkelnder Schulmeister in Gewissensnöten

Ach, sind sie alle tugendhaft. Ständig sprechen sie von ihren "strengen Grundsätzen". Und bei der erstbesten Gelegenheit verstricken sich die Lehrer und Grafen in Albert Lortzings "Wildschütz" doch in Verbrechen und verbotene amouröse Abenteuer. Die Studenten der Eisler-Musikhochschule haben ihren Spaß an den vertrackten Verkleidungs- und Verwechslungsspielen. Simon Weinert gefällt als stocksteifer, kränkelnder, aschfahler Schulmeister in Gewissensnöten. Das überzogene ewige Straucheln zu Beginn ist spätestens mit dem fulminanten Buffo-Hit "5000 Taler" verziehen. Ihm steht aber auch die vorwitzige, temperamentlustige Svenja Kruse als Gretchen mit blitz-blankem Sopran zur Seite. Lortzings Oper lebt von ihren spritzigen Ensembleszenen. Sie gelingen farbig und homogen unter Pawel Poplawskis Leitung. Saori Tomidokoro ersetzt das Orchester am Flügel. Die Frauenriege sammelt im Studiosaal der Hochschule besondere Pluspunkte: die von den alten Griechen besessene, überkandidelte Gräfin Sabine Neumann ebenso wie die Baronin Julia Baumeister mit ihrer beweglichen Stimme.

Sabine Neumann
Sabine Neumann
Svenja Kruse
Svenja Kruse
Simon Weinert
Simon Weinert

Die Hochschule präsentiert eine sparsame Produktion. Martin Schneider inszeniert die Biedermeierwelt ganz traditionell. Die jungen Sänger werden auf spätere Engagements an kleineren Bühnen vorbereitet. Ein paar Gewitterblitze, wechselnde Möbel, grüne Schürzen für die Bauernmädel und eine rote Weste für den Grafen genügen. "Der Wildschütz" überzeugt durch die jungen Stimmen und die Spielfreude der Studenten.

Martina Helmig_Berliner Morgenpost_10.11.2003